In Delmenhorst erleben wir zur Zeit sein Meisterstück. Es schien so, als wenn die fachlichen und sachlichen Argumente für ein neues Wasserwerk in der Graft auf dieser Basis eine politische Mehrheit im Rat hat, der sich der Geschäftsführer der Stadtwerke, Hans Ulrich Salmen, letztlich doch fügen muss. Aber da irrten wir. Hans Ulrich Salmen ist 2002 angetreten, in dieser Stadt bestimmte Dinge neu zu ordnen. Auch die Trinkwasserversorgung.
Nicht alle werden sich erinnern (wollen): Es begann mit dem Streit um das alte Delfina. Neubau oder Sanierung? Seit längerem schon beschäftigte sich die „Delfina-Arbeitsgruppe“ mit der Zukunft des Freizeitbades. Die damalige Bürgermeisterin Swantje Hartmann hatte die Leitung der Gruppe, in der neben Stadtwerke-Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen auch mehrere Repräsentanten der politischen Parteien waren. Im Jahr 2005 passierte es dann: Trotz kurzfristig herbeigeführten SPD-Parteitagsbeschluss pro Sanierung, stimmen am 24.05.2005 vier abgeworbene SPD-Ratsmitglieder mit der Gruppe CDU/FDP/Unabhängige und Grüne in einem Basisbeschluss gegen die SPD-Fraktion für einen Schwimmbad-Neubau. Die 4 SPD-Ratsmitglieder sollen zum Verdruß ihren Erfolg damals mit Herrn Salmen im Graftrestaurant gefeiert haben. Dann musste es aber weitergehen: Damit dieses Schwimmbad gebaut werden konnte, musste die Trinkwasserförderung in der Graft beendet werden. Die Vorarbeiten für den Neubau dauerten bis zum Jahr 2009 an, denn der Neubau soll ungeschützt mitten ins Trinkwassereinzugsgebiet gebaut werden. Der Grund: Die Stadtwerke sparen dadurch die Schutzmaßnahmen in Höhe von 800.000 Euro. Dazu muss das Trinkwassereinzugsgebiet vorzeitig aufgehoben und das alte Wasserwerk in der Graft stillgelegt werden. Mittendrin in diesem Geschehen wieder Swantje Hartmann, die zuletzt für die SPD das Direktmandat für den Landtag mit über 43 % gewonnen hatte. In diesem Jahr 2009 eskalierte die Krise in der SPD – 6 Ratsmandate gingen verloren, weil Parteimitglieder austraten und ihre Ratsmandate behielten. Das neue Schwimmbad ist mittlerweile gebaut, eine Sauna gibt es auch. Und Überschwemmungen in der Graft und in den anliegenden Häusern und Straßen. Die Initiative „Rettet die Graft“ gewinnt nach und nach die Köpfe der Menschen in den Delmenhorster Parteien. Alle Versuche, ein neues Wasserwerk aufzuhalten, können inhaltlich und argumentativ ausgeräumt werden. Die Argumente waren auch immer die gleiche: Das Wasser sei ungeeignet, ein Wasserwerk zu teuer, der Anstieg des Grundwasserspiegels hätte nichts mit dem Abschalten der Wasserförderung zu tun.
Bis zum Mai 2023 gab es einen überparteilichen Konsens: Das neue Wasserwerk soll kommen, da die Stadt dringend gutes Wasser braucht, die Kosten des Abpumpens in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Aber: Bis auf die CDU hat sich niemand richtig gefreut über diesen Konsens. Es hatte den Anschein, als würden alle den Beschluss mit einem gewissen Unbehagen fassen. Hans Ulrich Salmen wird sich das interessiert angesehen haben und hat erkannt: Die alten Argumente – damit kommt er nicht mehr durch. Er hat einfach abgewartet. Vor acht Jahren (2015) ist der Beschluss für ein neues Wasserwerk gefällt worden. Was hat sich seitdem politisch alles geändert in der Wahrnehmung von Problemen. Herr Salmen bringt also ein neues Argument: Das Wasserwerk gefährdet den Klimaschutz. Das kann und will der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion und gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadtwerke Delmenhorst auf keinen Fall. Daher will er den Beschluss darüber im Rat aufheben lassen. Der Grund: Herr Salmen hat ihm glaubhaft machen können, daß die Wiekhorner Wiesen in ein Moor verwandelt werden sollen. Um CO² einzusparen. Hans Ulrich Salmen weiß, wie die SPD funktioniert. Dem Vorsitzenden der Ratsfraktion wird sich die Fraktion nicht deutlich entgegenstellen. Dort heißt es schon: Das Wasserwerk wird nicht kommen. Oder: Wir brauchen für die Untersuchungen den Rat von Sachverständigen. Die Mehrheit im Rat ist daher dahin. Und andere Parteien wollen auch etwas für das Klima tun. Und ein Moor retten, wo es kein Moor jemals gegeben hat. Wir wissen noch nicht, wie es ausgeht: Denn die politische Situation ist etwas anders als 2005: Auf die CDU können sich diesmal alle verlassen. Aber eventuell ist sie diesmal so allein im Rat, wie die SPD-Ratsmitglieder 2005, als eine auch von der CDU angeführte Mehrheit im Rat den Neubau des Delfina beschlossen haben. Der Reihe nach könnten die Parteien umkippen: Die Delmenhorster Liste, die Linke, die FDP … Das Muster ist erkennbar: Ein Geschäftsführer will seinen Lebenstraum verwirklichen. Er gewinnt junge, ambitionierte Menschen für sich und seine Ideen. Das enge Bündnis aus dem Jahr 2005 hatte Namen. Diese Namen sind bekannt, interessieren heute aber niemanden mehr. Und die SPD in Delmenhorst muss aufpassen, dass sie nicht in Stadtwerke Partei Delmenhorst umgewandelt wird.
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Werner Kenner (Montag, 12 Juni 2023 18:59)
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