12.05.2024 -21:25: Nach viel Beifall und einer sehr schönen Zugabe des stimmlich gut ausbalancierten Ensemble-Chors mit „Sweet Dreams“ geht das neue Stück vom Maxe-Musik-Theater zu Ende.
Die Botschaft zum Ende ist klar: „Still Alive“ singt Mr. Hyde (Julia Moldenhauer) – Text und Musik stammen aus dem Abspann eines Computerspiels – an dessen Ende die Protagonistin über das „Böse“ triumphiert hat, welches aus einer KI besteht, die über eine gespaltene Persönlichkeit verfügt, die zwischen Fürsorglichkeit, Gleichgültigkeit und später auch Feindseligkeit schwankt. Der Sieg ist nur scheinbar – denn der Song am Ende zeigt das Gegenteil: Das Böse ist noch da – mit einem humorvollen, leichten Song und Zeilen wie: „I think I prefer to stay inside | Maybe you′ll find someone else | To help you“. An dieser Suche nach Hilfe scheitert Dr. Jekyll: Er sucht nach einem Ausweg aus einem Dilemma seiner zwiegespaltenen Person. Das Stück lebt von der Brillanz, mit der Nikita Hubert diesen Dr. Jekyll spielt: Die Unsicherheit, der Fatalismus, die Verzweiflung, die Wut, die Resignation, als er merkt, dass er scheitern wird. Und das alles in Körpersprache, Sprache und Gesang: Bei Black Sabbath von Black Sabbath aus dem Album „Black Sabbath“ – da war er stimmlich gefordert und wie sagt man so schön: Er lieferte ab - zusammen mit Julia Moldenhauer, die auch in ihrer Rolle aufging: Wütend und böse und stark auf der Bühne. Wie schon bei „Seeker“ zusammen mit Ole Siemon als Sir Danvers – bei dem mal wieder das Mikrofon ausfiel – aber nur ganz kurz. In diesem Stück haben es beide optimal verstanden, den Text stimmlich so zu singen, dass sie in ihrer Rolle blieben: Der verzweifelnde Verzweifelte Henry Jekyll und der sich sorgende Sorglose Sir Danvers.
Überhaupt die Musik: Viele viele Stunden Arbeit stecken nicht nur in der Auswahl der Stücke, sondern auch in der Anpassung das musikalisch Mögliche – toll gemacht von Malik Kerschek und Timo Kreis, von dem die Arrangement für die Umbaupausen mit dem Orchester stammen.
Alle Musikstücke waren wieder sorgsam und mit Hintergedanken ausgewählt: „Thriller“ von Michael Jackson, gesungen von Josefine Ziolkowski, Kyra Fitzner und Julia Moldenhauer und präsentiert von Ensemble war ein Versprechen für einen gelungenen Abend, welches gehalten werden sollte. Mit „Respect“ von Otis Redding, aber in einem Arrangement von Roger Holmes zeigten sich nicht nur die gewachsenen Stimmen von Julia Moldenhauer und Queenette Okotie, sondern auch die viel bessere Abstimmung zwischen Band und Gesang – da saßen die Einsätze – und auch das sollte den ganzen Abend so bleiben. Die beiden Solo-Nummern „You only live twice“ gesungen von Queenette Okotie und „Gloomy Sunday“ gesungen von Aylin Merker - beides neu arrangiert von Malik Kerschek – waren passgenau gewählt und souverän performed. Anastasia Neweschin, Paula Seela und Emma Seela nicht zu vergessen: Das schwierigste Stück, weil ihre Stimmen nur dann wirklich zur Geltung hätten kommen können, wenn es mucksmäuschenstill und die Anlage dreimal so gut gewesen wäre. Aber sie haben es hinbekommen.
Die Musik war also stimmig – genauso wie die Darstellung der Figuren des Stückes. Allen war anzumerken, dass sie noch souveräner als im Jahr davor auf der Bühne standen - alle waren drin in ihren Rollen. Meine Lieblingsdetails: Die Kleidung von Dr. Jekyll - alles passte irgendwie nicht oder doch deshalb wieder - es war zu sehen, wie es sich in seiner "zweiten Haut" - den gesellschaftlichen Konformitäten - nicht mehr wohlfühlte und nach Auswegen suchte. Und Julia Moldenhauer, wenn sie mit den Fingerspitzen auf der Sessellehne klopft – ungeduldig und wütend und böse. Oder Emma Seela in der Rolle von Dr. Lanyon, wenn sie die zentrale Stelle der Novelle im Duo mit Dro Jekyll vorträgt: Wenn Dr Jekyll spricht, dann bewegen sich die Lippen von Dr. Lanyon synchron. Fantastisch.
Zum Ende dann noch mal für alle, die den Überblick verloren hatten: Den Zwiespalt von Jekyll und Hyde erklärten die beiden Cops dem Publikum – und „leerten“ dabei eine Flasche von diesem Hamburger Kräuterschnaps, von dem erstaunlich viele Flaschen auf der Bühne rumstanden - also, die beiden erklärten es auf einfache Weise: „Warum bist Du morgens immer freundlich zu Deinem Vorgesetzten – wenn er Dich anschließend für einen blöden Job einteilt?“ fragt der „bad cop“ (Sina Widmer) den „good cop“(Emilie Castiglione.) Ja, warum eigentlich?
Was fehlt noch?
Der Dank an alle, die ich nicht erwähnt habe, die hart, sehr hart dafür gearbeitet haben, dem Publikum dreimal einen schönen Abend zu verschaffen. Chapeau!
Die Wahrheit, wie toll Schule sein kann, wenn produkt- und handlungsorientiert gelernt und gearbeitet wird. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag ...
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