Buchbesprechung: Joachim Bischoff / Klaus Steinitz: Götterdämmerung des Kapitalismus? Eine Flugschrift. 168 Seiten | 2016 | EUR 12.80 | ISBN 978-3-89965-693-0

In den frühen 80er Jahren sind Linke untereinander schonungslos gewesen. Nicht nur vor Infoständen ging es zur Sache. Die Frage, wie ein Systemwechsel konkret ablaufen würde, erhitzte die Gemüter. Positionen, die den Übergang zum Sozialismus durch Wahlen erreichen wollten, wurden belächelt, wenn nicht verlacht. Alternativen zu herrschenden Ausbeutung in Betrieben – durch Einführung oder Stärkung des genossenschaftlichen Gedankens – wurden verworfen. Heute müssen wir uns freuen, wenn die Worte „Ausbeutung“, „Betrieb“ und „Kapitalismus“ zum linken Wortschatz gehören. Diejenigen, die sich vor zehn Jahren vorgenommen hatten, die Theorie-Entwicklung voranzutreiben, schaffen gerade mal einen Aufsatz – wie Mikfeld beispielsweise in spw 4/2016 – mit einer verschwurbelten Sprache, die inhaltsleer vor sich hin salbadert … Daher war ich sehr gespannt, ob es Bischoff/Steinitz gelingen würde, klare Antworten auf die Übergangsfrage zu geben.
Es ist gelungen. Die Debatten in der linken Wissenschafts-Szene der letzten Jahre, gespickt mit Verweisen und Zusammenfassungen aus früheren Jahrzehnten machen das Buch wertvoll. Wertvoll für eine offene Debatte, die nicht mehr nur in Hinterzimmern und auf Tagungen, sondern in einer politischen Öffentlichkeit geführt wird. Die Frage nach dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus – seit 1989 gibt es dazu fast nur noch wissenschaftliche Literatur, aber keine offensive Streitkultur mehr. Ein Streit um den richtigen Weg? Fehlanzeige. „Wer sind die Akteure, die den Kapitalismus in eine humanere, sozialere und nachhaltigere Gesellschaft transformieren? Gibt es die überhaupt noch? Und was ist ihre Agenda?“ Die Frage nach den Akteuren bleibt auch bei Bischoff/Steinitz etwas allgemein – aber sie ist auch die schwierigste Frage: „Für die Kämpfe um die Verwirklichung von Alternativen muss davon ausgegangen werden, dass es nicht das historische Subjekt als Träger dieser Auseinandersetzung gibt. Der Kreis potentieller Akteure, die sich für die Veränderungen der herrschenden Politik und der dazu geschaffenen Institutionen einsetzen, ist größer und vielfältiger geworden“. (119
Das Buch insgesamt ist ein Appell, sich zusammenzusetzen, nachzudenken und ein Programm zu entwickeln, wie eine andere Gesellschaft gebaut werden kann. Aber die Autoren sind skeptisch, ob ein Erfolg errungen werden kann: „Der Prozess der Herausbildung sozialistischer Eigentumsverhältnisse wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein sehr komplexer, widersprüchlicher Prozess sein, in dem es auch Fehlentwicklungen geben wird, die korrigiert werden müssen“(133).
Zusammenfassend: Es ist ein gründliches Buch. Und ein Buch, das keine Illusionen weckt. Gleich im ersten Satz im Kapitel „Transformation im Kapitalismus“ werden wir mit der bitteren Realität konfrontiert: „Die tiefe soziale Kluft in den kapitalistischen Hauptländern verdeutlicht die Notwendigkeit einer Transformation des Systems. Die soziale Spaltung wird selber zum Grund einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums und der Aktivierung eines Krisenmodus der Akkumulation. Der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts steckt in einer Krisensackgasse und droht in ein autoritäres Regime umzuschlagen“ (48). Dies zu verhindern geht einfacher, wenn Alternativen für eine wirkliche Zukunft in den Köpfen verankert werden – und in den Herzen. Denn: „Dies ist jedoch sicher auch die schwierigste Aufgabe einer sozialistischen Transformation, da sie auf den größten Widerstand der ökonomisch und politisch mächtigsten Kräfte stoßen wird“(129).
Erschienen in Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft | Ausgabe 1/2017 | Heft 218 | Januar 2017.
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