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SPD Bremen. Neu erleben? ... oder: Sozis zwischen Diskurs halten und Kurs halten.

Es geht ums Profil – sagt der neue Landesvorsitzende Carsten Sieling, der seit seiner Wahl im Frühjahr beharrlich versucht, Kurskorrekturen einzufordern. Erleichtert wird sein „frischer Wind“ durch den Gegenwind, den die SPD bei den letzten Wahlen erlebt. Für viele Mitglieder in Bremen war die Auswertung des Landesverbandes eine Erholung gegenüber den sonst abgesetzten Durchhalteparolen: „Unsere Kernkompetenz als Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der sozialen Gerechtigkeit haben wir damit in den Augen vieler Menschen ganz offensichtlich verloren“. (…) Die Politik und die Maßnahmen der Agenda 2010 sind nicht nur schlecht vermittelt worden. Sie finden in der Mehrheit der Bevölkerung und auch in den traditionell sozialdemokratischen Wählerschichten keine Unterstützung. Die noch umzusetzenden Maßnahmen (z.B. Zahnersatz, Hartz IV) müssen auf den Prüfstand gestellt werden.“[1] Gibt es in Bremen einen Aufbruch nach links?

 

AGENDA 2010: Druck auf Schwache macht keinen stark

 

Klar ist: Kurskorrekturen bei der sog. „sozialen Schieflage“ der Agenda 2010 wird es nicht geben. Geben wird es materiellen Verschlechterungen für die Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe. Dass zukünftig auch die sog. „Minijobs“ angenommen werden müssen, weil sonst Kürzung oder Wegfall des ALG II droht, macht deutlich, dass nichts mehr bleibt von „Fördern“ und „Fordern“. Es sei denn, mit „fordern“ ist gemeint, dass man Geld fordert. Und zwar von den Betroffenen. Für diese Sichtweise spricht einiges, wenn die Zahlen in einer Studie nur annähernd stimmen: Im Bundeshaushalt 2005 sind für das ALG II lediglich 13 Milliarden Euro eingeplant – von Juni 2003 bis Juni 2004 wurden dagegen aber 17,6 Milliarden ausgegeben. D.h. die Leistungskürzungen müssen höchstwahrscheinlich nochmals verschärft werden.[2] Der Druck, der auf die sog. „Leistungsbezieher/innen“ ausgeübt werden wird, geht dabei weitgehend ins Leere: Auf 1 offene Stelle kommen im Land Bremen bis zu 13 Menschen – wie in so vielen Regionen.

 

Kein Geld ohne Sparpolitik

 

Das zentrale Problem der Koalition bleibt: Ein genehmigungsfähiger Haushalt ist ohne zusätzliches Geld aus Berlin kaum zu erreichen. Dazu gibt es den sog. „Kanzlerbrief“. Um dieses Geld zu erhalten, wird der Bremer Senat nachweisen müssen, dass er ordentlich gewirtschaftet hat – also: gespart hat. Alle Sparauflagen werden unter der Maßgabe „durchgezogen“, einen sog. „verfassungskonformen“ Haushalt zu erreichen. Die Deckungslücke ist aber auch mit den Millionen, die noch aus Berlin erhofft werden, zu groß – sagen die Kenner der Haushaltsproblematik und verweisen dann wieder auf den Bund.

 

Die Bremer Politik kommt also über die neoliberale Agenda 2010 in einen Zwiespalt. Wenn die Lebensbedingungen der Menschen durch keine oder eine ungenügend finanzierte Arbeitsmarktpolitik und durch das „Spar“- Diktat eingeschränkt werden, muss bzw. müsste eine regionale Wirtschafts- und Strukturpolitik versuchen, hier gegenzusteuern. Dies hat die große Koalition auch versucht, in dem Geld in Investitionsprojekte geflossen ist, was sicherlich Beschäftigungseffekte hatte. Aber die Grenzen für diese Projekte sollen jetzt „enger gezogen“ werden. Die Gründe: Das Geld wird knapp und knapper. Die Wirkungen stellen sich nicht so schnell ein: Ein zentrales Großprojekt versandet wohl in privatwirtschaftlichen Fehlkalkulationen: Der „Space-Park“ - eine Art Abschiedsgruß an das alte Bremen aus Schiffbau und Stahl und ein Willkommensgruß für ein neues Bremen mit Luft- und Raumfahrtindustrie und touristischen Attraktionen.

 

Zudem geraten die Schwerpunktaktivitäten der Großen Koalition im Bereich der Privatisierung öffentlicher Bereiche immer mehr in die Kritik: Die Privatisierung der Schulgebäude, die Abwasser-GmbH, die GmbHs, die gegründet wurden, um die Wirtschaftsförderung professioneller zu gestalten: Vermutet wird eine Art schwarz-rote Klüngelei zur Beschaffung von Versorgungsposten. Die Vergabe neuer Gewerbeflächen ist überall umstritten und die alten „grünen“ Bürger-Bewegungen laufen sich langsam warm. Ihr Ansprechpartner ist dabei der schlaue CDU-Bausenator Eckhoff, der im letzten Sommer ganz selbstverständlich mit seinem CDU-Innensenatorkollegen gegen die vom Senat verkündete Schließung von Freibädern demonstriert hat … Die meisten Freibäder gibt es auch heute noch …

 

Und wenn das Sparen nix genützt hat?

 

Die ersten Folgewirkungen dieser widersprüchlichen Politik zeigen sich jetzt: Waren es im letzten Jahr noch kleine Initiativen, wie die Aidshilfe Bremen, deren Existenz einfach beendet wurde, und gab es da und dort mal Proteste wegen Kürzungen im Jugendbereich, geht es nun ans Eingemachte. Die Sozialsenatorin Röpke sah sich jetzt einem eintätigen Streik aller Kindertagesstätten gegenüber. Die Reaktion: Die Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar – gespart würde doch gar nicht … Hier bewegt sich die Politik genau in die Richtung, die von der Landespartei gegenüber der Bundesregierung kritisiert wurde: Es geht nicht um die Frage der „schlechten Vermittlung“ von Sparbeschlüssen, sondern darum, dass Bürger/innen sich dagegen wehren, die niedrigeren Standards anderer Großstädte als Orientierungsgröße genannt zu bekommen: 13 Millionen muss das Land bis Ende 2005 noch sparen, damit die sog. „Sparauflagen“ erfüllt werden können.

 

Ein Politikkonzept muss daher nicht nur schnell mal die sozialdemokratische Seele beruhigen, in dem die Agenda 2010 kritisiert wird. Auch in Bremen wird es darum gehen, als Partei im Regierungshandeln Ansätze davon erkennen zu lassen, wie es denn wäre, wenn man allein könnte … Dabei geht es dann nicht nur ums Profil. Denn: Die SPD hat im Jahr 2003 gerade mit der Parole „Kurs halten“ und einer Henning-Scherf-Kampagne nochmals die Wahlen gewonnen. Zentrales Thema: Familienfreundliche Stadt. Mit guter Infrastruktur und guten Dienstleistungen. Daran werden die BürgerInnen die Politik messen.

 

„Ist die SPD noch zukunftsgerecht?“ – so wird im Bremer Forum gefragt, und damit ob die SPD bei den Wahlen 2007 im Lande Bremen erfolgreich sein kann. Dies wird nur gelingen, wenn die SPD in Bremen es schafft, ein soziales Profil bei der Gestaltung der Haushaltssanierung zu bewahren. Sonst bekommt die auf der Rückseite der der Sommer-Ausgabe des Bremer Forums im Vorwärts starken Symbolcharakter: Dort wird Wein angeboten: Riesling  - auch bekannt als Lieblingssorte von Herrn Kohl – natürlich in grünen Flaschen.

 



[1]) Stellungnahme des SPD-Landesvorstands Bremen zum Ergebnis der Europawahl am 14. Juni 2004.

[2]) Vgl. Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V.: Haushaltswahrheit und – Genauigkeit klein geschrieben.

 



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